Babys werden, wie auch einige Säugetiere, als Traglinge geboren. Sie spannen automatisch ihre Muskulatur an und übernehmen die Anhock-Spreiz-Stellung der Beine, wenn sie hochgenommen werden. Außerdem erlaubt ihr gerundeter Rücken es ihnen, sich perfekt an den Träger anzuschmiegen. Kinder sind also evolutionär auf das Getragenwerden eingestellt. Meine Empfehlungen als Kinderphysiotherapeutin, worauf es beim Halten und Tragen von Babys ankommt, habe ich in diesem Ratgeber zusammengefasst.
Vorteile des Tragens
- Durch bestimmte Halte- und Tragetechniken kann das Geborgenheitsgefühl aus dem Mutterleib in die noch fremde Außenwelt übernommen werden.
- Säuglinge haben ein ausgeprägtes Kontakt- und Aufmerksamkeitsbedürfnis, das mit dem Tragen gestillt werden kann. Außerdem wird so die Eltern-Kind-Kommunikation und die Bindung (Bonding) gestärkt.
- Durch das Tragen wirken viele Reize aus der Umwelt auf das Baby ein. So kann es seine Sinne früh schulen.
- Außerdem kann ein Brachyzephalus (plattgelegener Hinterkopf) durch vieles Tragen und häufige Positionswechsel vermieden werden.
Darauf ist zu achten
- Babys brauchen Druck und Begrenzung damit sie sich spüren und sich selbst besser zurechtfinden könne. Daher ist es wichtig, dass sie immer fest und sicher angefasst werden.
- In den ersten Monaten kann euer Kleines seinen Kopf noch nicht alleine halten. Darum achtet unbedingt darauf, dass Ihr den Kopf und den Rücken beim Hochheben und Tragen immer gut stützt und stabilisiert.
- Außerdem brauchen Babys manchmal einen Moment bis sie sich an eine neue Position gewöhnt haben. Das hängt vor allem mit dem noch nicht ausgereiften Gleichgewichtssinn zusammen. Darum sollten die Bewegungen langsam und gleichmäßig ausgeführt werden.
- Gebt eurem Kind einen Augenblick Zeit, sich an die neue Haltung zu gewöhnen. Grob kann man sagen: Je unruhiger und angespannter das Kind, desto ruhiger und langsamer sollten die Bewegungen sein.
Das Hochheben
Das korrekte Halten und Tragen beginnt mit dem richtigen Hochnehmen. Das sollte immer über die Seite passieren. Zuerst legt ihr die Hände auf das Brustbein eures Babys und übt einen leichten Druck in Richtung Unterlage und Füße aus. Das führt dazu, dass es aufmerksam wird, seine Symmetrie findet und beginnt seine Halsmuskulatur in die Aufrichtung anzuspannen. Ohne euer Baby loszulassen, wandern dann die Finger beider Hände unter den Armen nach hinten und stützen den Kopf und den Rücken. Die Daumen bleiben vorne auf dem Brustbein. In dieser Haltung könnt Ihr euer Baby langsam auf die Seite drehen und dann sehr nah an eurem Körper hochheben. Achtet dabei dadrauf, dass Ihr immer mal die Seiten wechselt. So bleibt Ihr beide flexibel und entwickelt keine einseitige Haltung.
Die Wiegehaltung
Hierbei legt Ihr euren Liebling nach dem Hochnehmen mit dem Rücken auf euren gebeugten Unterarm. Die Hand stützt dabei den Po. Wichtig ist, dass das Köpfchen dabei nicht überstreckt ist, sondern in eurer Armbeuge liegt und dass beide Ärmchen vor dem Körper sind. Der Rumpf ist leicht gebeugt. (Je mehr Muskelspannung euer Baby hat, desto mehr solltet Ihr den Rumpf beugen.) Mit eurem zweiten Arm könnt ihr den Wiegearm unterstützen, oder für andere Tätigkeiten nutzen.
Vorteile: Viel Körperkontakt, guter Blickkontakt, gute und sichere Haltung für das Baby, eine frei Hand
Die Schulterhaltung
In dieser Position wird der Säugling aufrecht an euren Körper angeschmiegt. Mit einer Hand kann der Po, mit der anderen der obere Rücken und der Kopf gestützt werden. Das Köpfchen schaut dabei über die Schulter. Wichtig ist, dass auch beide Ärmchen auf der Schulter liegen und nicht unter dem Körper eingeklemmt sind.
Vorteile: Perfekte Haltung um das Aufstoßen nach dem Trinken zu unterstützen, durch den Ausblick in die Umgebung wird die visuelle Wahrnehmung gefördert, Hand-Hand und Hand-Mund Kontakt möglich
Die Fliegerhaltung
Bei dem typischen Fliegergriff wird das Baby bäuchlings auf den Unterarm gelegt. Das Köpfchen liegt dabei in der Armbeuge und mit der freien Hand wird der Po abgestützt. Besser ist allerdings, wenn der Unterarm unter der Brust des Kindes liegt und beide Arme und der Kopf über dem Unterarm des Träger hinausragen. Die zweite Hand kann dann zwischen den Armen unter den Bauch greifen und das Baby dort stützen. Durch eine gegenläufige Rotation beider Arme kann so der Bauch massiert werden. Dies hilft besonders gut bei Bauchschmerzen.
Vorteile: Hilft bei Bauchschmerzen und Blähungen, durch den Ausblick in die Umgebung wird die visuelle Wahrnehmung gefördert, Hand-Hand und Hand-Mund Kontakt möglich
Das Halten vor dem Bauch
(für Kinder, die schon alleine ihren Kopf halten können)
In dieser Position ist das Kind zum Körper der tragenden Person gerichtet. Ein Arm umschlingt den Rücken des Kindes und hält das körperferne gebeugte Bein. Das andere Bein des Kindes ist gestreckt. Der Rumpf ist leicht rotiert und beide Ärmchen zeigen nach vorne.
Vorteile: Der Träger hat eine freie Hand, die Kopfkontrolle wird trainiert, durch die Rotation werden die schrägen Bauchmuskeln trainiert (welche sehr wichtig für eine physiologische motorische Entwicklung sind), die Rumpfaufrichtung wird gefördert, durch den Ausblick in die Umgebung wird die visuelle Wahrnehmung gefördert
Wichtig: Unbedingt im Wechsel auf beiden Seiten tragen
Die Schoßhaltung
Es gibt zwei Arten der Schoßposition.
1. Das Baby sitzt mit dem Rücken zu eurem Bauch auf dem Schoß. Rücken und Kopf des Kindes werden dabei durch euren Oberkörper gut gestützt. Eine Hand des Trägers kann sichernd um den Körper, die andere unter den Po gelegt werden. So sitzend kann euer Knirps die Welt entdecken. Achtet aber darauf nicht zu lange in dieser Position zu verweilen. Wenn euer Kind noch nicht alleine sitzen kann, solltet Ihr diese Haltung nur ein paar Minuten einnehmen, damit Ihr der Wirbelsäule nicht zu viel Kompression aussetzt und sie schädigt.
Vorteile: durch den Ausblick in die Umgebung wird die visuelle Wahrnehmung gefördert.
2. Ihr sitzt angelehnt und mit angestellten Beinen. So könnt ihr euer Baby mit dem Rücken zu euren Oberschenkeln und dem Blick zu euch in den Schoß setzen. Durch die Kule zwischen euren Oberschenkeln liegt das Baby so schon sehr sicher, wenn Ihr möchtet, könnt Ihr aber eine Hand zur Sicherheit auf den Oberkörper eures Kindes legen.
Vorteile: Guter Blickkontakt, viel Körpernähe, das Baby liegt in einer natürlich Rundung, Hand-Hand, Hand-Mund und Hand-Fuß Kontakt möglich, mindestens eine frei Hand, gute Position zum Spielen
Das Übergeben
Möchtet Ihr das Baby an eine andere Person übergeben, haltet Ihr es mit einer Hand am oberen Rücken und Kopf und mit der anderen am Po. Die andere Person schiebt nun die eine Hand an den Rücken des Kindes und gleitet langsam zum Po, während der erste Träger die Hand langsam wegnimmt. Genauso werden die anderen Hände gewechselt.
Das Hinlegen
Genau wie beim Hochheben eures Kindes, solltet Ihr beim Hinlegen darauf achten, dass dies über die Seite geschieht. Dazu haltet Ihr den Rumpf mit Stützen des Kopfes genau wie beim Hochheben. Dreht euer Baby, so dass eine Seite zu euch und eine Seite zur Unterlage zeigt. Dann beginnt Ihr das Kleine langsam von den Füßen, über die Knie, das Becken und den Rumpf bis zum Köpfchen abrollend hinzulegen. Wenn es auf der Seite liegt, könnt Ihr es langsam auf den Rücken drehen. Wichtig ist dann, dass Ihr nicht sofort loslasst, sondern dass eure Hände sich langsam ausschleichen. Ein schneller Druckverlust (eurer Hände) könnte euer Baby sonst zu sehr irritieren.
Achtet beim Hinlegen wieder darauf, dass Ihr immer mal die Seiten wechselt. So bleibt Ihr beide flexibel und entwickelt keine einseitige Haltung.
Das Wohlbefinden des Trägers
Langes Tragen, gerade später, wenn das Kind an Gewicht zunimmt, kann den Rücken und die Schultern stark belasten. Um Schmerzen und Probleme zu vermeiden, solltet Ihr auf Tragepausen achten. Das ist nicht nur für euch wichtig, sondern auch für euer Kind. Gerade zu Hause in der gewohnten Umgebung sollte euer Kind auch mal an einem sicheren Ort abgelegt werden und Zeit bekommen sich mit sich selbst zu beschäftigen. Das fördert nicht nur die Autonomie, sondern auch das Entdecken des eigenen Körpers und somit die sensomotorische Entwicklung.
Wenn Ihr euer Kind aber doch für eine längere Zeit tragen müsst oder wollt, kann eine Babytrage oder ein Tragetuch von Vorteil sein. Mit diesen Hilfen könnt Ihr euer Baby dicht und hoch am Körper tragen. Das wirkt sich positiv auf euren Körperschwerpunkt und somit auf euren Rücken aus. Außerdem habt Ihr so beide Hände frei. Zudem könnt Ihr euer Kleines mit einer Tragehilfe gut in der Körperachse anstatt seitlich auf einer Hüfte tragen. Das hilft eurer beider Symmetrie.
Vorteile von Tragehilfen
- Das Grundbedürfnis nach Nähe und Geborgenheit kann durch Tragen gestillt werden. Durch den spürbaren Kontakt werden Wohlfühlhormone bei Kind und Träger ausgeschüttet. Das sorgt für eine allgemeine Ausgeglichenheit und eine starke Bindung.
- Zusätzlich wird das Neugeborene durch den Körperkontakt, die Begrenztheit, die Körperwärme und das Geräusch des Herzschlags an die sichere Umgebung im Uterus erinnert.
- Tragehilfen können die gesunde Entwicklung eines Säuglings fördern und Hüftgelenks- und Wirbelsäulenschädigungen vorbeugen. Durch das korrekte Tragen können Muskeln stimuliert und eine adäquate Haltung unterstützt werden, was sich positiv auf die Entwicklung des Skelett- und Bewegungssystems eines Babys auswirkt. Doch auch Sinnessysteme können durch das Tragen geschult und somit in ihrer Reifung unterstützt werden. Vor allem das vestibuläre System und das propriozeptive System werden positiv beeinflusst.
- Auch für den Träger gibt es Vorteile. Neben zwei freien Händen steht besonders die Flexibilität und Mobilität im Vordergrund. Ob Treppen, öffentliche Verkehrsmittel, Strände, Waldwege oder die ungestörte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, mit einer Tragehilfe ist alles barrierefrei möglich.
Darauf ist bei Tragehilfen zu achten
- Blickkontakt: Ihr solltet eure Kinder immer mit Ihrer Vorderseite zu eurem Körper tragen und am Besten auch auf eurer Vorderseite. Tragt Ihr euer Kind verkehrtherum, birgt dies Risiken für die psychische Entwicklung. Ohne den Blickkontakt zum Träger fehlt den Babys eine wichtige primäre Kommunikationsgrundlage. Sie können nicht erkennen, was der Träger für mimische und nonverbale Rückmeldungen gibt. Zudem sind Kinder, die mit dem Gesicht nach vorne getragen werden, den Sinneseindrücken der Umgebung schutzlos ausgeliefert, was zu einer Reizüberflutung führen kann.
- Anhock-Spreiz-Haltung: Die Sitzposition nach vorne ist physiologisch ungesund, da die Beine des Kindes so schmal und gerade herunterhängen. Für eine gesunde Entwicklung der unreifen Hüftgelenke und für die natürliche Entwicklung der Wirbelsäule ist eine anatomisch und orthopädisch korrekte Haltung wichtig. Diese kann nur beim Vis-à-Vis-Tragen ermöglicht werden. In der Anhock-Spreiz-Haltung, auch M-Position genannt, sind die Beine etwa bis auf Nabelhöhe angehockt und leicht nach außen gespreizt. So wird eine gesunde Reifung der Gelenkpfanne ermöglicht. Zudem kann der Rücken sich runden und so eine Belastung der Wirbelsäule vermieden werden.
Die Babytrage
Babytragen haben Meist zwei Schulter- und einen Bauchgurt, welche sich mit einem Binde- oder Clipsystem schließen und dadurch schnell und einfach anlegen lassen. Durch die simple Längenverstellung der Gurte, kann sie an jede Körpergröße angepasst und sowohl über als auch unter der Jacke getragen werden.
Bei der Wahl der richtigen Babytrage nimmt das Kind automatisch die korrekte Anhock-Spreiz-Stellung ein. Achtet beim Kauf einfach auf die Produktbeschreibung. Firmen wie Manduca oder Marsupi gewährleisten das beispielsweise bei jeden Modell.
Da die Tragen häufig nicht für jede Babygröße geeignet sind, gibt es spezielle Neugeborenen-Einsätze, die mit Gurten im Inneren der Trage befestigt werden können. Je nach Alter kann man zudem die Sitz- und Rückenteile verstellen. So wächst die Babytrage sozusagen mit. Achtet trotzdem bei der Auswahl auf die Alters- bzw. Gewichtsempfehlung.
Sobald euer Kind sein Köpfchen selber halten kann, könnt Ihr es auch flexibel auf der Seite oder auf dem Rücken tragen.
Insgesamt kann man sagen, dass das schnelle Anlegen und die vereinfachte Form des ergonomischen Tragens hier im Vordergrund stehen.
Das Tragetuch
Ein Tragetuch lässt sich nicht ganz so leicht anlegen wie eine Babytrage. Meist ist ein wenig Übung erforderlich. Wenn man die Bindetechnik aber erst einmal verinnerlicht hat, stellt auch das kein Problem mehr da. Der Vorteil an einem Tragetuch ist, dass es viele verschiedene Bindemöglichkeiten gibt. Außerdem lässt es sich ohne Einstellungen an jede Körpergröße anpassen.
Tragetücher gibt es in verschiedenen Längen und Webarten. Man unterscheidet sie in gewebte und elastische Tücher. Elastische Tücher bestehen zu 100% aus Baumwolle, sind sehr weich und schmiegen sich gut an den Körper und die Proportionen an. Außerdem lassen sie sich problemlos binden. Sie sind perfekt für Neugeborene geeignet. Durch ihre Elastizität sind sie allerdings nur für Kinder nutzbar, die unter 9kg wiegen.
Das Material der gewebten Tücher besteht meist zu einem Teil aus Baumwolle und zu einem Teil aus Hanf, Seide oder Leinen. Gerade bei warmen Temperaturen bietet beispielsweise ein Baumwoll-Leinen-Mix eine angenehmere Tragbarkeit. Durch das festere Material der gewebten Tücher, ist das Binden etwas ungeschmeidiger. Dafür können mit diesen Tüchern Kinder sehr lange getragen werden, um genau zu sein, bis sie 15kg wiegen.
Ein Vorteil von Tragetüchern ist, dass sie keine Zusätzlichen Einsätze brauchen, sie passen sich optimal an jeden Kinderkörper an und gewährleisten so die korrekte Anhock-Spreiz-Stellung. Unterschiedliche Bindeweisen sorgen dazu für eine noch größere Flexibilität. Neben verschiedenen Bauchtragevarianten, kann das Kind auch auf dem Rücken oder seitlich auf den Hüften getragen werden. Zudem könne die Tücher noch zu anderen Verwendungszwecken dienen. Beispielsweise unterwegs als Sichtschutz, Schattenspender oder Decke.
Insgesamt kann man sagen, dass Tragetücher besonders aufgrund ihrer Flexibilität und langen Nutzbarkeit trumpfen können.
Fazit
Es gibt viele Möglichkeiten sein Baby zu tragen. Wichtig ist nur, dass Ihr individuell für euch die richtige Trageweise findet, damit Ihr und euer Kind euch wohl fühlt und eure Gesundheit fördert.